Fail Fast – Learn Faster Prototype it all!

Peter Jumpertz
@Shutterstock

Alles anders in digitalen Zeiten, oder?

Wir haben uns schon daran gewöhnt, dass  im Zusammenhang mit dem Thema „Digitalisierung“ immer neue Schlagworte auftauchen, aus denen wir nicht recht schlau werden. Sie bringen zum Ausdruck, dass die Welt in digitalen Zeiten anders funktioniert als vor der Erfindung des Internet.

Ein paar Beispiele:

  • „New work“ ersetzt old fashion business – Spaß macht das Kickern, nicht mehr das Entwickeln.
  • „Disruption“ ersetzt Schumpeter – wer nicht disrumpiert, ist mental schon korrodiert.
  • „Eco-Systems“ ersetzen Branchen – alle kollaborieren, Wettbewerb wird endlich schmerzfrei.
  • „Platform-Power“ ersetzt „Product value“ – ein Marktanteil von 100 % wird zum Normalfall.
  • „Sharing Economy“ ersetzt Individuen – nur we work zählt, der Rest bleibt arm und einsam.

Sollte man den Ausruf „Fail Fast“ auch in den Topf zweifelhafter Empfehlungen werfen? Nein! Denn Fehler schnell zu erkennen ist die Grundbedingung für effizientes Lernen.

Scheitern ohne Untergang

Auch in digitalen Zeiten steht organisatorisches Lernen im Zentrum des unternehmerischen Handelns. Wir sollten uns also etwas differenzierter damit auseinandersetzen. Wie können Fehler Kausalitäten offenlegen? Was müssen wir vorsehen, um Hypothesen über Wirk-Zusammenhänge zu verifizieren? Was unterscheidet eine „failing organization“ von einer „fast learning organization“? Liegt es an der Fähigkeit, Fehler zuzulassen? Oder sie als solche zu erkennen? Oder die richtigen „lessons learnt“ daraus zu formulieren? Und welche Rolle spielt dabei die Fähigkeit, Lernen aus Fehlern als Alternative zum Lernen aus Theorien gezielt einzusetzen?

“Seven Insights of Highly Efficient Learning”

1. Forschung ist die Quelle des Lernens

Forschung und Lehre sind die einzigen gangbaren Mittel, um Erkenntnisse zu sammeln und Wissen anzureichern. Forschung sucht nach unbekannten Fakten. Das Sammeln neuer Erkenntnisse, also das Lernen im eigentlichen Sinne, geht nur durch Ausprobieren und Erkennen von Fehlern! Eine Alternative gibt es nicht. So lernt jeder Säugling von der ersten Minute an – Lesen und Zuhören kann er ja noch nicht.

Die Lehre dagegen vermittelt bereits Bekanntes. Forschung muss also immer zuerst Wissen erzeugen, bevor Lehre Wissen vermitteln kann.

Lernen von gesprochenem oder geschriebenem Wort ist in aller Regel schneller, einfacher und billiger als forschendes Lernen. Es mag weniger spannend sein, aber es funktioniert gut, solange die Lernenden dem Lehrer Glauben schenken.

2. Rollierende Investitionspläne für Innovations-Vorhaben

Lernen aus Fehlern ist zwar die teurere, aber auch die bei weitem effektivere Methode, wenn Innovation das Ziel ist. Denn Innovation bedeutet, dass man nicht wissen kann, ob die Problemstellung bereits gelösten Problemen hinreichend ähnlich ist. Innovation, die ausschließlich auf Lehre und nicht auf Forschung setzt, ist daher zwangsläufig mit hohen Risiken für Fehlschlüsse und Fehlentwicklung verbunden. Ratschläge oder anekdotisches Wissen können nur unterstützend wirken, dürfen aber den Lernprozess nicht ersetzen!

Das Problem dabei ist: Forschungsprojekte bleiben selten im Plan. Dies liegt in der Natur der Sache. Es hat zur Folge, dass Innovation meist signifikanten Aufwand verursacht. Innovation wird deshalb zum Entscheidungsgegenstand auf der Top Management-Agenda. Das Management muss entscheiden, in welchen Fällen und in welchem Umfang solche Investitionen gefordert sind. „Fail Fast“-Vorhaben – egal aus welchen Unternehmensbereichen – gehören daher genauso auf die Top Management-Agenda, wie der Bau einer neuen Fabrik – laufend und natürlich baubegleitend.

3. Lernsystematik wie von Ingenieuren erdacht

Eine lernende Organisation muss auch in Bezug auf die Herangehensweise auf dieselbe Stufe gestellt werden wie eine Fabrik mit all ihren Prozessen, Verfahren, Werkzeugen, Rohstoffen und mit den Menschen, die in ihr arbeiten. Auch wenn und gerade weil es sich beim Lernen nicht um materielle, sondern um virtuelle Komponenten handelt, ist ein vollständig durchgeplantes Vorgehen der wichtigste Effizienztreiber.

Lernen aus Fehlern verlangt also nach rigoroser Systematik, wenn es kostengünstig und schnell geschehen soll. Die Lernenden müssen keine Ingenieure werden. Aber der Lernprozess muss ingenieurmäßig durchdacht, aufgebaut und betrieben werden.

Wem dies zu weit hergeholt erscheint, der forsche bei Gelegenheit einmal nach, wie die amazon-Tochter Twitch Lernen aus Fehlern handhabt. Auch die Lektüre von Ray Dalios Buch „Principles“ lohnt! Beide Fälle beschreiben Lernorganismen, die hochgradig systematisch, standardisiert und in jeder Hinsicht extrem erfolgreich operieren.

4. Disziplin und Energie souveräner Führung

Ein System kann seinen Effizienz-Vorteil nur ausspielen, wenn das gewählte Verfahren strikt eingehalten und der Prozess mit ausreichender Energie versorgt wird. Beides verlangt im Falle eines Unternehmens nach einer Form der Führung, die ein hohes Niveau an Energie erzeugt und sie gleichzeitig mittels Disziplin in die richtigen Bahnen lenkt. Souveräne Führung ist gefragt – das heißt Führung, die stark im Prozess, klar in der Vision und zurückhaltend bei den inhaltlichen Details ist.

Führung stark im Prozess ist wichtig, weil menschliche Disziplin flüchtig ist. Sie muss einer Organisation immer wieder aufs Neue beigebracht werden. Auch in einer Kultur der Disziplin, wie man sie von amazon oder IBM kennt, muss ständig daran gearbeitet werden.

Vor allem für das Aufstehen nach schmerzhaften Fehlschlägen und Frustrationen braucht es Führung, die Überlebensangst in positive Energie umwandelt, indem sie die Vision einer attraktiven Zukunft am Leben hält.

Zurückhaltung bei den inhaltlichen Details ist geboten, weil Führungskräfte nicht über bessere Erkenntnisse verfügen können als die Forscher selbst. Manager, die bei Innovationen als Besserwisser oder Lehrer auftreten, vernichten Energie durch Bevormundung.

Souveräne Führung ist die bei weitem wichtigste Aufgabe des Top Managements, wenn es um erfolgskritische Innovationen geht.

5. Lernende Maschinen reichen nicht aus

Disziplin und Energie sind offensichtliche Stärken von Automaten. Machine learners – Computer, die ebenfalls nach der Lernen-durch-Fehler-Methode arbeiten – können humanes Lernen sehr gut unterstützen, indem sie den Raum der zu testenden Hypothesen drastisch reduzieren und die Test-Arbeit in minimaler Zeit präzise ausführen.

Leider kann uns die Art von Lern-Maschinen, über die wir heute verfügen, die Verantwortung für das Selbst-Lernen nicht abnehmen. Denn die Maschine benennt die Kausalität erst, nachdem der Mensch auf Grundlage seines Fachwissens stichhaltige und relevante Fragen formuliert hat. Auch die Interpretation der Ergebnisse erfordert Urteilsvermögen und Erfahrung, genauso wie die Berücksichtigung des Kontexts für die Ableitung adäquater Entscheidungen.

Wir können der Maschine also nicht blindlings vertrauen. Wir müssen uns am Ende selbst ein Bild über die Zusammenhänge machen und es gegen die Wirklichkeit testen.

Daher gilt: ein AI-Experte ohne Neugierde auf die Welt ist in Wahrheit nur ein Maschinist. Wir werden nicht schlauer, wenn wir den Weissagungen seiner Maschine folgen, ohne nachzudenken.

6. Der Kontext macht Innovation schwer beherrschbar

Die Umfeld-Komplexität von Innovationen stellt generell wohl die größte Herausforderung organisatorischer Lernprozesse dar. Speziell digitale Innovation findet aufgrund des hohen Grads der Vernetzung meist in sehr komplexem Umfeld statt. Hohe Komplexität zu ignorieren ist das sprichwörtliche „Recipe for Disaster“.

Wenn Sie katastrophale Ergebnisse wie die Boeing 737 MAXX oder sehr teure Lernprozesse wie den Hauptstadt-Flughafen BER vermeiden wollen, sorgen Sie für eine lose Kopplung innerhalb Ihres Vorhabens. Das bedeutet, man baut an den Stellen, wo Störungen sich rasch in das Gesamtsystem ausbreiten können, Redundanz, Varianten-Vielfalt und Brandschutzwände ein.

7. Guter Modellbau macht Lernen effizienter

Modellbau hilft! Diese Weisheit ist nicht neu und leuchtet unmittelbar ein. Man kann davon ausgehen, dass spätestens die antiken Ägypter verschieden geformte Bauklötze aus Holz angefertigt und auf vielfältige Weise aufgestapelt hatten, bevor sie die großen, schweren Steine zum Pyramidenbau aus den Felsen schlugen.

Jedes Problem kann modelliert werden – das ist mathematisch bewiesen. Modelle haben enorme Vorteile. Die wichtigsten sind einfache Abbildung wichtiger Funktionen sowie schneller und kostengünstiger Umbau. Natürlich werden sie mit ein paar gravierenden Nachteilen erkauft. Die größten Risiken: Modelle ignorieren grundsätzlich Komplexität, denn sie erfassen nicht das Ganze. Insbesondere nicht maßstabsgetreue Modelle verleiten zu Fehlschlüssen, denn sie können Funktionen oft höchstens annähernd abbilden.

Sieben auf einen Streich!

Der Überblick über diese „Seven Insights“ mag auf den ersten Blick akademisch und wenig ermunternd anmuten, ist es aber nicht! Denn die gute Nachricht lautet: wir können sämtliche sieben Anforderungen mit einem zentralen Ansatz erfüllen: „Prototype It All!

Wenn man die verschiedenen Arten digitaler Prototypen kennt, ihre Eigenschaften einzuschätzen versteht, und weiß, wie „Machine Learning“ und Prototypen zusammenarbeiten können, kann man enormes Lernpotential freisetzen. Mittels Problem-spezifischer intelligenter Prototypen kann man jede Idee und jedes Konzept in äußerst agiler Form einem Fehler-Lern-Verfahren unterziehen; und zwar super-schnell, super-systematisch, super-sorgfältig und super-sparsam.

Für solche „Smart Prototypes“ gibt es für jedes Fachgebiet, jede Geschäftsfunktion und jede Branche viele überzeugende Beispiele – von der Entwicklung automatisch gesteuerter Automobile über die Bewertung einzelkundenspezifischer Service Level bis zur Beurteilung innovativer Straßenmautvarianten.

Das Fazit: Organisatorische Lernbehinderungen lassen sich nicht alleine mit einer „Fail Fast“-Kultur beseitigen. Der Ausruf der Wissbegierigen muss lauten „Prototype It All“!



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