Innovationensmanagement Wie verhindert man, dass Innovationen scheitern?

Stephan Witt
Frank Olschewski
@Pexels

Wie verhindert man, dass Innovationen scheitern?

Frank Olschewski, Stephan Witt

Unternehmen träumen davon, den Wettbewerb mit Innovation zu gewinnen. Die Erfolgsrezepte dafür liegen aber meist im Dunkeln. Der Absturz ist so vorprogrammiert und die ambitionierten Ziele werden schnell wieder begraben. Auch einseitige Beratungsansätze bringen kein Licht in dieses dunkle Gewässer: Erschlagen von den vielen Symptomen übersehen sie die wenigen Ursachen und bleiben unwirksam. Lesen Sie, worauf es wirklich ankommt.

Studiert man die Geschäftsberichte von Unternehmen,  findet man fast immer einen positiven Abschnitt zu Innovation. Schaut man genauer auf die tatsächliche Performance, dann sieht man meist doch nur ein moderates, unterdurchschnittliches organisches Wachstum und ein (allzu oft fremdfinanziertes,) rein kapitalgetriebenes Wachstum. Das Land der Dichter und Denker scheint out-of-balance: Die Denker und Ingenieure denken und schaffen viel, sie revolutionieren aber nichts! Und die Dichter schwadronieren und lobpreisen in ihren Geschäftsberichten genau das. Eine seltsame und irrwitzige Durchdringung von Sehnsucht und Realität. Was ist da passiert?

Sucht man nach den Ursachen, dann findet man oft eine fragmentierte Spezialistenstruktur und ein nur teilweise steuerndes Top Management. Verständnisbrüche und eine systematische Vernachlässigung wesentlicher Aspekte bestimmen das Geschehen. Man muss für Innovation aber kein Steve Jobs sein oder Sonderbegabungen besitzen. Ein systematisches und umfassendes strategisches Innovationsmanagement, gebündelt mit etwas Mut und Verständnis für die Sache, reichen völlig aus.

Der offensichtliche Kern von Innovation

In der Diskussion um Innovation vermischen sich viele Details und Moden. Oft reden wir gar nicht über die Innovation für den Kunden, sondern über die Anwendungen irgendeines Werkzeuges von dem irgendjemand schon mal gehört hat, dass es irgendwo unter bestimmten Rahmenbedingungen schon mal funktioniert haben soll. Aus den Wachstumszeiten der 80er Jahre haben sich z.B. Stage-Gate-Prozesse in die heutige Zeit gerettet, die in ihren Grundannahmen von einem Überfluss von Ideen und, aufgrund finanzieller Engpässe, einer notwendigerweise sehr strikten Kontrolle von Ausgaben und Arbeitsfortschritten ausgehen. Heute − in einer stark gesättigten Marktwirtschaft − sind oft die Ideen rar und (dank der Zentralbanken) ist Geld reichlich vorhanden. Man muss also genau überlegen, welche Relevanz eine gegebenenfalls unzeitgemäße Best Practice überhaupt noch hat und welchen Schaden man anrichtet, wenn man eine Idee aus einem finanzbelasteten Geschäft (z.B. Anlagenbau) in ein investitionsarmes Geschäft (z.B. IT) überträgt (oder anders herum).

Um sich nicht in veralteten oder unpassenden Management-Moden zu verlieren, muss man sein Geschäft fundamentaler betrachten, denn jede Best Practice ist bestenfalls eine Heuristik und (leider) oft nur eine Mode des Zeitgeistes. Und wie schon Kierkegaard sagte: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird schnell ein Witwer sein“.

Generell unstrittig sind zwei Basisfaktoren der Innovation 1. Effizienz: die Fähigkeit, Ergebnisse mit einem minimalen Input zu erzeugen, und 2. Fertigkeiten: die Fähigkeiten, Eigenschaften zu realisieren.

  • Die kontinuierliche Optimierung von Effizienz liefert einen Wettbewerbsvorteil: Man liefert Produkte günstiger als der Wettbewerber, stellt mehr in der gleichen Zeit her und hängt die Konkurrenz im Markt und im Laufe der Zeit ab. Diese Logik ist einfach zu verstehen, einfach zu implementieren, branchenunabhängig und wird oft angewandt. In Philosophien wie Toyota‘s Lean Management ist sie quasi eingebaut, man kann sie einkaufen und seinen Mitarbeitern verordnen. Und wenn gleichzeitig eine moderate Modernisierung der Produktionsmittel dem Lauf der Zeit folgt, kommen noch weitere Effizienzgewinne hinzu. Da macht man − bei funktionierender Nachfrage − wenig falsch. Sich nur auf Effizienz zu verlassen hilft aber nicht. Denn wenn die Nachfrage schwindet, kommt irgendwann der Berater, und fotografiert nur noch den toten Großvater.
  • Signifikante Wettbewerbsvorteile über Fertigkeiten zu erzeugen ist durchaus anspruchsvoller. Fertigkeiten sind gleichzeitig mit Alleinstellungsmerkmalen und Mitarbeitern verknüpft und werden erst durch Wissens- und Prozessmanagement über die Zeit zum Eigentum der Firma. Man nutzt das Know-How, um Kunden etwas Einzigartiges, nicht kopierbares und Wertgeschätztes zu liefern. Das Unternehmen muss hierzu die individuellen Beiträge der einzelnen Individuen zur Problemlösung verknüpfen, verstetigen und langfristig sichern. All dies braucht Zeit, Geduld und ist hochgradig branchenabhängig, denn die Fertigkeiten einer Chipfabrik und eines Massagesalons haben (glücklicherweise) nicht viel gemeinsam.

Ein Fokus nur auf diese beiden Faktoren ist aber nicht hinreichend. Ein auf Effizienz getrimmter Hufschmied versorgt die Pferde zwar schneller und kostengünstiger und erzeugt so Geschäft. Wie wir aus der Historie aber wissen, hat dies langfristig nicht funktioniert. Der Vorgänger des Autos, die Pferdekutsche, ist aus unserem täglichen Leben verschwunden. Der Hufschmied aber ist in den seltensten Fällen Automechaniker geworden. Umso befremdlicher fühlt es sich an, dass unsere hocheffiziente Autoindustrie heute ähnliche Verhaltensmuster an den Tag legt. Sie tut sich schwer, neue Fertigkeiten (Elektromobilität, Digitalisierung) zu entwickeln, neue Anforderungen der Mobilität zu verstehen und sie lässt sich zudem „die Freude am Fahren“ und am Börsenwert von kleinen Herstellern im Silicon Valley abnehmen. Man lernt anscheinend nichts von seinen Vorfahren. Damit kommen wir zu Pudels Kern: Der nicht gemanagte Faktor ist das Verhalten.

Das Verhalten ist des Pudels Kern

Bei allem vordergründigen, wissenschaftlichen Anstrich der Wirtschaftswissenschaften muss man sich eingestehen, dass erfolgreiche Geschäfte nur im sozialen Raum stattfinden. Wir reden hier nicht von unbelebter Materie, die man  im Rahmen systematischer Untersuchungen − zum besseren Verständnis schon mal sezieren kann, sondern von Menschen, Individuen mit Eigendynamik, eingebettet in soziale Gruppen mit individueller Gruppendynamik, mit hoher individueller Komplexität, Würde, Antrieben und Verhalten. Jedes Geschäftsmodell basiert aber auf (3) Verhalten, sowohl Verhalten der Kunden als auch der Mitarbeiter. Und hier verlassen wir den festen Boden, auf dem zwar viele Teilaspekte in den Organisationen formal abgebildet sind, denn bei zunehmendem Erfolg entstehen im Laufe der Zeit auch Brüche und blinde Flecken. So verstellt der vergangene Erfolg der Autobauer den Blick auf den weiteren zukünftigen Weg, oder wie es so schön heißt: “They painted themselves into a corner”.

Die Logik ist wieder einfach: Verändertes Verhalten und resultierende Nachfrage der Kunden muss i.d.R. mit neuen Fertigkeiten, Effizienz und einem angepassten Verhalten der Organisation begegnet werden (PULL), oder eine neuartige Kombination muss diese Nachfrage erzeugen (PUSH). Bei einem guten Fit hat man einen Game Changer, der die Welt verändert. Aber auch in Abstufungen sind diese Veränderungen nützlich, wer würde nicht gerne eine Innovation in seinem Markt monetarisieren. Hierzu sind aber viele Hürden zu nehmen und einer strategischen Steuerbarkeit zugänglich zu machen.

Beispiele:

  • Es reicht oft nicht aus, nur neue Fertigkeiten aufzubauen, die Organisation muss diese mit dem gleichen Stolz bedienen wie die Fertigkeiten der Vergangenheit. Sie muss sie annehmen und in ihr Selbstbild einbauen. Das ist naturgemäß schwierig, insbesondere, wenn ein Ingenieur für Verbrennungsmotoren aufgrund der Veränderung nach der Innovation keine Zukunft mehr hat.
  • Verhaltensänderungen kosten Zeit. Denken Sie daran, wie viele Jahre Apple in den Aufbau der Fertigkeiten zum Chip Design investiert hat. Sie brauchen Geduld und Durchhaltevermögen, um die Fertigkeit aufzubauen und in das Gewebe Ihrer Organisation einzubetten.
  • Änderungen im Kundenverhalten sind grundsätzlich schwierig zu durchschauen. Es benötigt den entsprechenden Aufwand und die Nähe zum Markt. Schon Theodore Levitt warnte 1965 von dem Effekt der Marketing-Blindheit (Marketing Myopia), in der ein starker Fokus auf Produktsegmente Blindheit gegenüber dem übrigen Weltgeschehen erzeugt. Wenn man die Bedürfnisse im Markt nicht wirklich kennt, erkennt man auch die eigene Substitution nicht.
  • Ähnliche Formen von Myopia sind aber auf jeden Fachbereich übertragbar. Im Laufe der Zeit tritt eine immer höhere Spezialisierung ein und das Denken von Mitarbeitern und Managern begrenzt sich auf die Schubladen, die man tagtäglich bedient. Auch die Befruchtung mit fremden Ideen funktioniert dann nicht mehr, trifft man doch auf den Messen höchstens den Kollegen der Konkurrenz, der in den gleichen Schubladen lebt. Verhaltensänderungen benötigen Störenfriede.

Es ist die Aufgabe des Top Managements, diese Veränderungen zu steuern und die Organisation langfristig am Leben zu erhalten. Das Steuern des Organisationsverhaltens ist schwierig und wahrscheinlich besonders schwierig, wenn man organisationsintern Karriere gemacht und sonst wenig von der Welt außerhalb des Unternehmens gesehen hat.

Was tun?

Die THERON Advisory Group hat Methoden zur Steuerung strategischer Initiativen auf der Basis der Faktoren Effizienz, Fertigkeiten und Verhalten entwickelt. Den Mittelpunkt  dieser Methoden bildet der THERON Innovation Cube. Er ermöglicht der Unternehmensführung sowohl die Bestandsaufnahme als auch die strategische Steuerung in eine erfolgreiche Zukunft.

Lesen Sie mehr in unserem THERONSight Creating the Future.



« Zurück